Archäologen streiten erbittert darüber, ob in Jerusalem der Palast des biblischen König Davids entdeckt worden ist.
Abseits der wichtigen Handelsrouten drängte sich Jerusalem vor drei Jahrtausenden auf einer windigen Hügelkuppe. Quellen aus dem alten Mesopotamien dieser Zeit erwähnen die Stadt gar nicht, in ägyptischen Chroniken ist der Ort nur eine Randnotiz.
War das Jerusalem der Eisenzeit nur ein Dorf, oder doch eine prächtige Stadt, von der aus König David und später sein Sohn Salomon über ein großes Reich herrschten, so wie es in der Bibel heißt?
Trotz mehr als 150 Jahren archäologischer Forschung am Ort haben Wissenschaftler keine eindeutigen Beweise in der Hand. Die Ausgrabung eines gewaltigen Gebäudes in Jerusalem heizt nun die Debatte unter Archäologen aufs Neue an: Wie sind Funde aus der frühen Epoche der Stadt zu bewerten? Wie sind sie zu datieren?
Um das Jahr 1000 vor Christus sei Jerusalem eine bedeutende Stadt gewesen, die von einem mächtigen jüdischen König regiert wurde. So deutet Eilat Mazar ihren jüngsten Fund.
,,Dieses große Gebäude wurde nicht von den Kanaanitern errichtet‘‘ , sagt die Archäologin von der Hebräischen Universität Jerusalem, die die Ausgrabungen leitet.
Dieses Volk besiedelte vor den Juden das Gebiet um Jerusalem. Trifft die Interpretation Mazars zu, wäre das ein Indiz für die Bibelberichte. Mazar argumentiert sogar, dass es sich bei dem Fund wahrscheinlich um den Palast König Davids handele. Altersbestimmungen mit radioaktivem Kohlenstoff würden ihre Überzeugung bald stützen, kündigt sie an.
Bis 900 vor Christus nur ein Dorf
Andere Archäologen interpretieren und datieren die Ausgrabungen zurückhaltender. Bis 900 vor Christus sei Jerusalem nicht viel mehr als ein Dorf gewesen, sagt der Archäologe Israel Finkelstein von der Universität Tel Aviv. Die Berichte der Bibel über die Bedeutung des Ortes seien stark übertrieben – eine Ansicht, die unter Wissenschaftlern hitzig diskutiert wird. Nun ist akademischer Zank über die Datierung von Keramiken aus der Eisenzeit wenig ungewöhnlich.
Doch in diesem Fall tangiert der Streit nicht nur wissenschaftliche, sondern auch politische und religiöse Empfindlichkeiten: Nationalistische Israelis und strenggläubige Christen wollen um jeden Preis erreichen, dass die biblischen Geschichten von König David und Salomon archäologisch verbürgt werden.
Vertreter der Palästinenser fürchten, von Juden finanzierte Ausgrabungen sollten dazu dienen, Israels Kontrolle über Jerusalem zu legitimieren.
,,Was im 10. und 9. Jahrhundert vor Christus in Jerusalem passierte, hängt vor allem davon ab, mit wem man spricht‘‘, fasst der Archäologe Anson Rainey von Universität Tel Aviv einen hitzig geführten Kongress zusammen, der jüngst in Washington D.C. stattfand.
Einen unstrittigen Beweis dafür, dass um 1000 vor Christus tatsächlich ein strahlendes Reich des König David aus dem Alten Testament in Jerusalem existierte, konnten Archäologen bisher nicht vorlegen. Funde in der Stadt sind außergewöhnlich schwer zu interpretieren.
,,Jerusalem ist keine einfache Ausgrabungsstätte‘‘, sagt Amihai Mazar, Archäologe an der Hebräischen Universität, ein Cousin der Ausgräberin Eilat Mazar. Steine wurden im Laufe der Jahrtausende immer wieder aufs Neue verbaut, viele Ausgrabungen haben daher mehr Konfusion als Erkenntnis geschaffen. Klarheit können nur bessere Datierungstechniken und weitere Ausgrabungen liefern.
37 Meter hoch ist die terrassenförmige Konstruktion, die Eilat Mazar im vergangenen Jahr zum Palast König Davids ernannte. Gebäudeüberreste auf der Spitze der Terrassenstruktur sowie Keramikfunde interpretiert die Archäologin als klaren Bruch mit der Epoche vor der jüdischen Besiedlung der Stadt.
Der Aufbau der Konstruktion entspräche zudem Beschreibungen aus der Bibel, wonach König David von seinem Palast herabstieg. Das bedeute, seine Residenz müsse ein hochgelegenes Gebäude gewesen sein.
Mazars Kollegen sind sich hingegen nur einig, dass der Fundort sehr bedeutend sei. Doch viele Archäologen datieren die Konstruktion auf das 12. Jahrhundert vor Christus.
Das wäre vor der Besiedlung durch die Juden und vor der angenommenen Regentschaft Davids. So argumentieren einige, dass es sich dabei eher um eine Befestigungsanlage aus der Epoche der Jebusiter handele, die zum Volk der Kanaaniter zählten. Andere Forscher weisen darauf hin, dass die Datierung der Gebäudereste wegen des schlechten Zustandes kaum möglich sei.
Zur Datierung müssen sich die Forscher vor allem auf kleine Einzelfunde aus den Grabungsschichten stützen: von den feineren Keramiken in den jüngsten Schichten bis zu primitiveren Stücken in den tieferen, älteren Schichten. Einige der einfachen Keramikfunde sprechen dafür, dass der Komplex aus dem Jahr 1200 vor Christus stammt.
Eilat Mazar hat Keramikfunde, Knochenreste und Olivenkerne, die während der Grabungen entdeckt wurden, mit der Radiokarbonmethode untersucht. Die Daten dieser Untersuchungen sind zwar noch nicht veröffentlicht, doch einige Archäologen halten bereits Mazars Interpretation der Keramikfunde für korrekt und ausreichend.
Israel Finkelstein verweist dagegen auf eine Studie, wonach die Datierung von Keramiken in Israel generell etwa um ein Jahrhundert daneben liegt: Demnach seien viele Funde älter als bisher gedacht. Aufgrund dieser Daten hält Finkelstein die Datierung des vermeintlichen Palasts Davids auf 1000 vor Christus für falsch.
,,Es gibt keinen Beweis, dass Jerusalem damals eine strahlende Hauptstadt war‘‘, sagt er. Archäologe Rafi Greenberg von der Universität Tel Aviv ergänzt, dass es auch keine Hinweise auf umliegende Dörfer gebe, die damals eine Hauptstadt hätten versorgen können.
Die Anhänger der konventionellen Chronologie winken ab. Jerusalem sei bereits in der frühen jüdischen Epoche eine bedeutende Stadt gewesen, dafür liefere Mazar nun weitere Anhaltspunkte, sagt die amerikanische Archäologin Jane Cahill, die ebenfalls in Jerusalem forscht.
Doch in zwei Punkten sind sich die Fraktionen einig: Jerusalem sei 1000 vor Christus keine Stadt gewesen, die sich mit den Metropolen jener Zeit habe messen können. Die Frage ist vielmehr, wie bedeutend das Reich war, das von Jerusalem aus regiert wurde.
Und: So sehr die beide Lager auf ihren Datierungen beharren, räumen sie doch ein, dass darin noch viele Unsicherheiten stecken. Die einzige Lösung sei es, das Alter weiterer organischer Funde exakt und vor allem neutral zu bestimmen, um so das Alter der Keramiken in den entsprechenden Grabungsschichten jenseits aller Fraktionen festlegen zu können. Erst dann sei es möglich, die Geschichte des frühen Jerusalem in wissenschaftlicher Nüchternheit zu erforschen.
Dies ist die gekürzte Version eines Artikels in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science, herausgegeben von der AAAS. Weitere Informationen: www.sciencemag.org, www.aaas.org. Dt. Bearbeitung: Sebastian Herrmann